Roger Struzena
Kirchweg 29
82284 Grafrath
29.1.06
Herrn
Bürgermeister Dr. Hagenguth
und Gemeinderat
Antrag
zur aktuell geplanten zweiten
S-Bahn-Stammstrecke im Münchner Verkehrsverbund
Sehr
geehrte Damen und Herren,
Der Gemeinderat möge beschließen:
a)
Die Gemeinde Grafrath spricht sich gegen das Vorhaben im Rahmen des
laufenden Planfeststellungsverfahrens aus und wird Einwendung dagegen erheben.
b)
Der Gemeinderat fordert die Grafrather Gemeindebürger auf, ebenfalls
Einwendungen gegen das Projekt zu erheben.
c)
Die Gemeinde fordert die zügige Umsetzung des viergleisigen Ausbaus der
Strecke Pasing-Buchenau bei der bayerischen Staatsregierung.
Begründung
Der Freistaat
Bayern und die DB AG planen den Bau einer zweiten S-Bahn-Stammstrecke in
West-Ost-Richtung. Bis zum 9. Februar liegen im Münchner Stadtmuseum die
Planfeststellungsunterlagen zum Bauabschnitt Laim – Karlsplatz mit Haltepunkt
Hauptbahnhof incl. Betriebsprogramme in mehreren Varianten für den
S-Bahn-Verkehr aus.
Bis
zum 23. Februar können Einwendungen eingereicht werden.
Kernstück der
neuen Stammstrecke soll ein zweiter Tunnel ab der Friedenheimer Brücke bis zum
Ostbahnhof bzw. Leuchtenbergring sein. Im Bereich Max-Weber-Platz soll sich der
neue Tunnel unterirdisch in zwei Äste verzweigen. Dort ist allerdings kein
Zwischenhalt vorgesehen. Der eine Ast, der von den Linien von und nach
Holzkirchen und Kreuzstraße benutzt werden soll, beschreibt eine Kurve um fast
180 Grad und erreicht so aus nordöstlicher Richtung die Gleisanlagen des
Ostbahnhofs, während der zweite Ast direkt zum Leuchtenbergring führt, um hier
in die Ostäste der S-Bahnen nach Ebersberg, Erding und zum Flughafen einzumünden.
Die zweite
Stammstrecke soll zwei unterirdische Bahnhöfe erhalten, und zwar am
Hauptbahnhof und am Marienhof, jeweils in einer Tiefe von ca. 40 m.
Mit Bau und
Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke sollen mehrere Ziele verfolgt werden:
·
Vor allem
geht es um die Ausweitung der Streckenkapazitäten durch die Innenstadt, um
Taktverdichtungen auf den „Mittelästen“ aufnehmen zu können. In den
Betriebsprogrammen, die zur Planfeststellung ausgelegt wurden, sind allerdings
nur sehr geringfügige Taktverdichtungen vorgesehen.
·
Weitere
wichtige mit dem Bau einer zweiten Stammstrecke verfolgte Ziele sind die
Schaffung von Ausweich-/Umleitungsmöglichkeiten für den Fall von Störungen/Sperrungen
der alten Stammstrecke und die Eindämmung der häufig stattfindenden Übertragung
von Verspätungen von einer S-Bahnlinie auf die nachfolgenden Züge.
Die
letzteren beiden Ziele wie auch das erstgenannte Ziel lassen sich allerdings
- zugegebenermaßen mit Abstrichen -
auch mit geringerem Mitteleinsatz erreichen (z.B. Schaffung von Stau-/ Überholgleisen
auf der alten Stammstrecke, Führung einer S-Bahnlinie über den Südring oder
in den Starnberger Flügelbahnhof, Ausbau der Sendlinger Spange).
Bewertung
Der mögliche
Nutzen des Projektes steht in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Kosten, die
sich in einer Größenordnung zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro bewegen
werden. Dieses Geld fehlt dann bei sinnvolleren Investitionen, u.a für den
viergleisigen Ausbau der Strecke Pasing – Buchenau.
Die zweite
Stammstrecke hat, so wie sie zur Zeit geplant ist, große Schwachpunkte. So
werden eben keine Neuerschließungen, keine direkteren Verbindungen ermöglicht.
Durch die Streckenführung eng parallel zur alten S-Bahn-Stammstrecke und die
wenigen vorgesehenen Haltepunkte (Laim,
Hauptbahnhof, Marienhof und Ostbahnhof
bzw. Leuchtenbergring) wird der
Hauptschwachpunkt des Münchner Schnellbahnsystems, die Radiallastigkeit, noch
verstärkt. Ein Hauptproblem der Münchner S-Bahn, Überlastung bzw. Kapazitätsengpässe,
droht infolge der Konzentration auf die Umsteigeschwerpunkte Hauptbahnhof und
Marienplatz/Marienhof auf die Münchner U-Bahn übertragen zu werden.
Zudem kommt es
mit Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke zu massiven Verschlechterungen in
der Betriebsqualität:
·
So sollen
die meisten innerstädtischen Haltepunkte (Donnersbergerbrücke,
Hackerbrücke, Karlsplatz/Stachus, Isartor,
Rosenheimer Platz) weit weniger häufig
als bisher bedient werden.
·
Auch im
verdichteten Vorortbereich drohen an zahlreichen stark frequentierten
Haltepunkten Taktausdünnungen.
·
Zudem wird
ein großer Teil der S-Bahn-Fahrgäste neue Umsteigezwänge und teilweise auch
Umwegfahrten in Kauf nehmen müssen.
Für
die heutige S8 (frühere S4) ist in allen Planungsfällen keine Einführung des
10-Minuten-Taktes vorgesehen. Dies ist Indiz dafür, dass die Mittel zum Ausbau
zwischen Pasing und Buchenau fehlen. Ob hier die Engpässe vor allem am Westkopf Pasing einen
15-Minuten-Takt erlauben, ist zweifelhaft.
Hintergrund ist wohl das Fehlen von Mitteln zur Finanzierung der zur
Taktverdichtung nötigen Investitionen auf den „Mittelästen“. Gleichzeitig
sollen bekanntermaßen auch die Regionalisierungsmittel, die in erster Linie der
Bestellung von Zugkilometern im Nahverkehr dienen, zurückgeführt werden.
Mit
freundlichen Grüßen
Roger
Struzena