Fürstenfeldbruck

S-BAHN-MISERE

Hinderlicher Tunnelblick


Von Peter Bierl


Eine viergleisige Strecke zwischen Pasing und Buchenau sollte 2009 von den Honoratioren eingeweiht werden. So hatte es ein bayerischer CSU-Wirtschaftsminister einst angekündigt. Daran gehalten hat sich die Staatsregierung nicht, sondern das Projekt scheibchenweise verkleinert, sodass momentan nur noch ein drittes Gleis bis Eichenau verlegt werden soll. Das ist halbherzig, unsinnig und unzureichend, weil der Fern-, Regional- und Güterverkehr nach der Elektrifizierung bis Lindau zunehmen wird und ebenso wie die S-Bahn zwei eigene Gleise braucht, um sich nicht dauernd in die Quere zu kommen.


Zu befürchten ist, dass die Menschheit die erste bemannte Marsexpedition feiern wird, bevor dieses dritte Gleis verlegt ist. Die Staatsregierung verschanzt ihr Nichtstun hinter dem Titel Bahnknotenkonzept, dessen Herzstück eine zweiter S-Bahn-Tunnel in München ist, dessen Kosten auf mehr als drei Milliarden Euro gewachsen sind. Die Finanzierung ist ungewiss und das Projekt würde die zentralistische Struktur der Münchner S-Bahn für Jahrzehnte betonieren.


Bislang schienen die Reihen von CSU und SPD geschlossen, aber jetzt kommt Bewegung auf. Erwin Huber (CSU), der frühere Parteivorsitzende, scheut die Kostenexplosion in der Röhre und fordert, Ausbauten auf den Außenästen vorzuziehen. Die Stadt München hat die Initiative für einen S-Bahn-Nordtangente ergriffen, weil BMW ohne besseren Anschluss für seine Mitarbeiter den Standort verlegen könnte. Im Landkreis und in der Bürgerinitiative „S4-Ausbau jetzt“ könnte der zuweilen lähmende Streit wegen des Tunnels umgangen werden, wenn sich alle auf diese Linie einigen: Unmittelbare Verbesserungen und Ausbauten müssen von dem Mammutprojekt abgekoppelt werden.


Der politische Druck sollte darauf abzielen, den Engpass bei Pasing zu beseitigen, wo auf 600Metern nur ein Gleis liegt, den dreigleisigen Ausbau der S4 als Provisorium so anzulegen, dass ein viertes Gleis ergänzt werden kann, und in der Region mit Verbündeten für eine Nordtangente und einen Ausbau des Südrings in München einzutreten.



Quelle
Verlag Süddeutsche Zeitung
Datum Freitag, den 16. Oktober 2015
Seite 7