Fürstenfeldbruck

NORDTANGENTE

S-Bahnnetz statt Betonröhre


Von Peter Bierl


Das Münchner S-Bahn-System ist ein Verkehrs-Dinosaurier: Seit mehr als 40 Jahren fast unverändert, mit einer zentralistischen Struktur, die dem enormen Wachstum des Umlands überhaupt nicht gerecht wird. Notwendig wäre eine Netzstruktur, aber alle Initiativen in diese Richtung, wie die Stadt-Umland-Bahn oder der Ausbau des Südrings in München, wurden von Politikern zerredet und blockiert. Bei der Idee einer Spange zwischen Emmering und Gröbenzell schrien SPD-Kommunalpolitiker Zeter und Mordio. Umso wichtiger ist die Initiative der Stadt München: Eine komplett neue S-Bahn für die Stadtviertel und Kommunen im Norden.


Alle Pendler aus Gröbenzell, Olching, Maisach und Mammendorf bekämen eine zweite Verbindung nach München, schneller und direkter für alle, die in den Norden müssen. Eine solche Nordtangente wäre ein erstes wichtiges Element für eine Netzstruktur und würde die Stammstrecke entlasten.


Abgesehen davon, ob es überhaupt Platz für solche S-Bahn-Gleise gibt, stellen sich zwei Probleme: Erstens ist es in dieser Autorepublik immer viel schwieriger, neue Gleise zu verlegen als neue Autobahnen zu bauen, obwohl individueller motorisierter Massenverkehr ökologischer Wahnsinn ist, auch mit Elektromotor. Zweitens droht das Projekt Nordtangente wie alle anderen Vorhaben, etwa der viergleisige Ausbau der S4, am Projekt zweite Stammstrecke zu scheitern.


Ein zweiter Tunnel ist unsinnig, weil er die zentralistische Struktur betoniert. Bei Störungen im Bereich Pasing und Laim, wie im Berufsverkehr am Mittwochnachmittag, hilft die zweite Röhre gar nichts. Und sollte dieser Mammutbau jemals verwirklicht werden, bliebe erst mal kein Geld mehr für andere Schienenprojekte. Vor allem dient dieses Großprojekt der Landesregierung als Schutzschild, um ihre Untätigkeit in Sachen Bahnausbau zu rechtfertigen.


Die Untersuchung von Vorschlägen wie einer Nordtangente sowie der Ausbau der S4 sollten unabhängig von der zweiten Röhre sofort begonnen werden.



Quelle
Verlag Süddeutsche Zeitung
Datum Freitag, den 09. Oktober 2015
Seite 7