S-BAHN-ÄRGER

Sofort heißt sofort

Von Marco Völklein


Natürlich könnte man es sich nun einfach machen und sagen: Gäbe es den zweiten S-Bahn-Tunnel schon, dann wäre das Oberleitungs-Durcheinander von Dienstagfrüh, ausgelöst durch eine Strickjacke, nur noch halb so schlimm gewesen. Dann hätten zumindest ein paar Züge durch die zweite Röhre ausweichen können, die S-Bahn hätte ein umfangreicheres Notfallprogramm fahren können. Weniger Menschen wären in ihrer Not aufs Auto umgestiegen, somit wären auch die Staus nicht ganz so lang gewesen.


So einfach sollte man es sich nicht machen. Klar ist zwar: Der geplante zweite Tunnel muss in erster Linie gebaut werden, um das Verkehrssystem Münchens zukunftsfest zu machen. Zusätzliche Takte auf bestehenden Linien, dazu Expressangebote für Pendler aus dem weiter entfernten Umland – das alles braucht der Großraum, will er nicht, dass das gelegentliche Durcheinander zum Dauerchaos wird. Dass sich mit dem Tunnel der ein oder andere Ärger bei einer Großstörung wie der am Dienstagmorgen verhindern lässt, ist ein netter Nebeneffekt. Mehr aber auch nicht. Den Pendlern, die heute und in den nächsten Jahren auf die S-Bahn angewiesen sind, hilft das Projekt nichts – zumal eine verlässliche Finanzierung oder gar ein möglicher Starttermin in den Sternen steht. Erst im Sommer hatte Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) die Entscheidung darüber erneut um ein Jahr verschoben. Und offen ist, ob sie überhaupt irgendwann mal fällt.


Statt also immer wieder auf ein Projekt zu verweisen, das in weiter Ferne vielleicht mal kommt, sollte Herrmann endlich Lösungen anpacken, die den genervten Fahrgästen heute helfen. Bereits 2012 hatte die Staatsregierung ein „13-Punkte-Sofortprogramm“ zur Ertüchtigung des S-Bahn-Netzes beschlossen. Darin findet sich zum Beispiel die „Sendlinger Spange“, ein Gleisstrang, der ein Ausfädeln der Züge aus der bestehenden Stammstrecke auf Höhe des Bahnhofs Laim zum Herkomerplatz ermöglichen würde. Darin ebenso aufgelistet hat der Freistaat einen zusätzlichen Halt an der Poccistraße, der ein Umsteigen auf die U-Bahn erlauben würde. Beide Projekte wären für die Fahrgäste bei Stammstreckensperrungen wie der vom Dienstag eine große Erleichterung. Das weiß auch der Freistaat, weshalb er sie in sein „Sofort“-Programm aufgenommen hatte. Die Frage ist nur: Was versteht die Staatsregierung unter „sofort“?


(SZ vom 07.10.2015)