München-Region-Bayern
Ein bisschen Bewegung im Stammstrecken-Streit
Je länger sich das Projekt hinzieht, desto teurer wird es. Obsolet sind die
geplanten zwei Milliarden Euro Ein bisschen Bewegung im Stammstrecken-Streit
Die Stadt und der Bund signalisieren Bereitschaft, ihre Finanzierungsanteile zu
erhöhen. Konkret aber wird keiner
München – Im Streit über die Finanzierung des geplanten
zweiten S-Bahn-Tunnels unter der Innenstadt hat die Stadtspitze
Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD)
sagte der Süddeutschen Zeitung, die Stadt habe „eine freiwillige Mitfinanzierung
der Stammstrecke zugesagt, dazu stehen wir selbstverständlich auch weiter“. Auf
die bislang in Aussicht gestellte Summe von 147Millionen Euro schränkte er dies
aber nicht ein.
Zuvor hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)
mehr Geld von der Landeshauptstadt gefordert, um die weiter steigenden Baukosten
finanzieren zu können. Zuletzt hatten interne Papiere der Deutschen Bahn diese
auf fast 2,6 Milliarden Euro taxiert. Branchenkenner rechnen mittlerweile mit
2,8Milliarden Euro, andere sogar mit drei Milliarden.
Makulatur ist jedenfalls die im Jahr 2012 zwischen
Freistaat und Bahn vereinbarte Summe von 2,05 Milliarden Euro. Und da absehbar
ist, dass die Summe weiter steigt, hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)
vergangene Woche einen relativ geharnischten Brief an seinen Parteifreund in
Berlin geschrieben. Darin forderte er Dobrindt auf, endlich eine „verbindliche
Zusage über die Finanzierungsanteile des Bundes“ zu treffen. Oberbürgermeister
Dieter Reiter (SPD) schloss sich Seehofers Schreiben an und schickte parallel
einen eigenen Brief nach Berlin – und forderte ebenfalls die „schnellstmögliche
Verwirklichung der zweiten Stammstrecke“.
Der Bund jedenfalls sei „bereit, seinen Anteil zu erhöhen“,
sagte Dobrindt der Bild-Zeitung, konkrete Zahlen nannte er nicht. Dobrindt
verweist, wie auch sein Kollege im Freistaat, Verkehrsminister Joachim Herrmann
(CSU), stets darauf, dass bislang noch nicht alle Baugenehmigungen für das
Projekt vorliegen. Ohne diese könne man die Kosten für die Röhre nicht seriös
abschätzen. Herrmann hatte die Genehmigung für den westlichen Abschnitt bereits
im Januar erwartet; zuletzt hieß es, das dafür zuständige Eisenbahnbundesamt
werde den Planfeststellungsbeschluss „Anfang Februar“ zustellen. Nun ist Mitte
Februar – und noch immer liegt nichts vor.
Vielen Fahrgastvertretern platzt angesichts der verfahrenen
Situation mittlerweile der Kragen. „Die Geduld der Fahrgäste bei dem Thema ist
längst am Ende“, sagt Andreas Nagel von der „Aktion Münchner Fahrgäste“. Das
ständige Gezerre um den Tunnel sei nichts anderes als „eine Ausrede zum
Nichtstun“, ergänzt Berthold Maier vom Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr.
Statt zwölf Jahre lang immer nur von dem geplanten Großprojekt zu reden, hätten
Freistaat und Bahn längst anfangen können, „die Zuverlässigkeit im bestehenden
S-Bahn-Netz zu erhöhen“, längere Züge einzusetzen, um die größte Not der
Fahrgäste zu mildern – und dann „schrittweise in den Ausbau des Bahn-Südrings
einzusteigen“, sagt Maier.
Die Landtags-Grünen rechnen damit, dass der Tunnel
letztlich enden wird wie einst der Transrapid. 2008 habe sich der damalige
Ministerpräsident Günther Beckstein davon verabschieden müssen, „nachdem das
Prestigeprojekt die Kostenschallmauer von drei Milliarden Euro durchbrochen
hatte“, sagt der verkehrspolitische Sprecher Markus Ganserer. Minister Herrmann
indes will weiter warten: „Konkrete Festlegungen, wer was zu zahlen hat, machen
erst Sinn, sobald die Baukosten feststehen“, sagt er. Dazu müsse zunächst das
Genehmigungsverfahren abgeschlossen sein. Erst dann werde er „mit allen
Beteiligten über die endgültigen Finanzbeiträge reden“. Marco Völklein Kommentar