Memmingen – Seit Jahren warten die Bürger und Politiker in Südbayern auf die durchgehende Elektrifizierung der Bahnstrecke München–Zürich, jetzt scheint die Deutsche Bahn den Ausbau des Abschnitts Geltendorf–Lindau nach langem Zögern entschlossen anzupacken. Dabei schlägt sie sogar ganz neue Töne an und will die Anwohner der Strecke noch vor Abschluss der Planungen mitnehmen. Dies haben am Montag in Memmingen Vertreter der Bahn angekündigt. Vom Dezember bis März können Bürger bei 13Veranstaltungen im Allgäu mit den Planern des Ausbaus direkt diskutieren.
Offenbar hat die Bahn aus problematischen Projekten wie Stuttgart 21 gelernt. Zum Zweck der Kommunikation über Großprojekte hat sie eigens einen Mitarbeiter eingestellt: Michael-Ernst Schmidt stellte im Memminger Rathaus das Dialog-Forum vor, „welches so erstmals für ein Großprojekt der Deutschen Bahn AG angewandt wird“. Ziel sei es, Probleme der Anlieger rechtzeitig zu besprechen und die Anregungen ins Planfeststellungsverfahren einfließen zu lassen. Statt Podiumsdiskussionen stehen individuelle Gespräche und Informationen im Vordergrund, kündigte Projektleiter Matthias Neumaier an: „Wir halten keine Vorträge, sondern wollen aktiv zuhören und mitnehmen, was die Menschen über unsere Planung denken.“
Hintergrund dieses Vorgehens ist wohl auch die Angst vor Klagen, die das Projekt schlimmstenfalls massiv verzögern könnten. Wie kompliziert die Aufgabe der Bahn ist, verdeutlicht die Situation in der Unterallgäuer Gemeinde Westerheim. „Einerseits wollen wir natürlich den Lärmschutz“, sagt Bürgermeisterin Christa Bail, „aber andererseits wäre es eine Katastrophe, wenn unser Dorf von sieben Meter hohen Wänden durchtrennt werden würde.“ Sie fordert „kreativere“ Lösungen wie etwa eine Tieferlegung der Trasse. „Notfalls werden wir über eine Klage nachdenken“, kündigt die Bürgermeisterin an.
Mit der Elektrifizierung will die Bahn die Fernverbindung München–Zürich um bis zu eine Stunde schneller machen. Die Schweiz finanziert den Ausbau per zinslosem Darlehen über 50 Millionen Euro mit – aber nur unter der Bedingung, dass er bis 2020 fertig ist. Das Planfeststellungsverfahren soll im Frühjahr starten, der erste Dialog-Abend ist am 1. Dezember im württembergischen Wangen. Stefan Mayr
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