LINIE S4
Es fehlt der Widerstand
Von Peter Bierl
Das Engagement für den Ausbau der S 4 erfüllt alle
Kriterien für die Definition, Politik sei das starke und langsame Bohren dicker
Bretter. Seit Jahren kämpft eine kleine Initiative für die Belange der Pendler
und noch länger liegt es zurück, dass der damalige Puchheimer Bürgermeister
Herbert Kränzlein (SPD) seine Amtskollegen entlang der Strecke dafür
mobilisierte. Zuletzt hat Landrat Thomas Karmasin (CSU) begonnen, sich für
Sprinterzüge einzusetzen. Ohne diesen hartnäckigen Einsatz gäbe es nicht einmal
die paar zusätzlichen Expresszüge und Vollzüge, die wieder zu Langzügen
aufgestockt wurden.
Denn die bayerische Staatsregierung und die Bahn AG mauern.
Sie tun nichts für die Pendler auf der S 4. Es gibt nur leere Worte,
Hinhaltetaktik, zweifelhafte Expertisen, sich widersprechende Aussagen. Nur ein
Beispiel: Vor Jahren waren den Herrschaften drei Gleise zu popelig, jetzt soll
das für alle Zeiten genügen. Vielleicht erklärt irgendjemand irgendwann noch im
Brustton der Überzeugung, zweieinhalb Gleise wären die einzig wahre Lösung.
Der politische Wille fehlt aus zwei Gründen. Zum einen sind
die Pendler tatsächlich zu brav. Massenhafter Protest und ziviler Ungehorsams
wären ergiebiger. Sähe sich der Ministerpräsident mit einigen hundert
Demonstranten vor seinem Amtssitz konfrontiert, würde der geschmeidige Horst
Seehofer womöglich reagieren wie bei den Windrädern. Beginnen könnte man mit
Mahnwachen bei örtlichen Landtagsabgeordneten der Regierungspartei, die bei dem
Treffen der Initiative am Donnerstag wieder mal mit Abwesenheit glänzten. Zum
anderen blockiert das Megaprojekt eines zweiten Tunnels in München alles andere.
Das Projekt ist verkehrspolitisch zweifelhaft, weil es die zentralistische
Struktur des S-Bahnsystems auf Jahrzehnte betoniert statt ein Netz aufzubauen,
und es ist mit weit über zwei Milliarden Euro kaum finanzierbar. Es
kannibalisiert Vorhaben wie den S 4-Ausbau nicht erst mit Baubeginn, sondern
schon heute, weil alle anderen Projekte nachgeordnet sind. Selbst die
Elektrifizierung nach Lindau wird zum Schildbürgerstreich, wenn die neuen
zusätzlichen Kapazitäten für die Pendler im Allgäu vor dem Ausbau der S 4, der
wiederum an die zweite Röhre gekoppelt ist, gar nicht genutzt werden.