Nächster Halt Fürstenfeldbruck
Mit der Elektrifizierung von Geltendorf bis Lindau wird sich die Zahl der Züge
auf der S4-Linie fast verdoppeln. Mit zwei neuen Bahnsteigen könnten in der
Kreisstadt Regionalbahnen halten
Von Peter Bierl
Fürstenfeldbruck – Nach einer Prognose der DB Netz AG wird sich der Zugverkehr
auf der Strecke Lindau-Geltendorf nach der Elektrifizierung verdoppeln. Was das
für die S-Bahn bedeutet, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Vertreter
der Initiative „S4-Ausbau jetzt“ warnen vor einem Chaos. Keine Probleme erwartet
das bayerische Innenministerium. Der Verkehrsexperte Karl-Dieter Bodack hält
Verspätungen für wahrscheinlich, sieht jedoch auch eine Chance. Vorausgesetzt am
Brucker Bahnhof würden zwei neue Bahnsteige gebaut, könnten künftig Regionalzüge
halten und das Angebot verbessern.
Zwischen Pasing und Grafrath müssen Pendler viel Geduld aufbringen.
Fahrplanmäßig, aber auch unerwartet bleiben S-Bahnen stehen, um einen Regional-
oder Fernverkehrszug überholen zu lassen. Verspätungen werden ins gesamte
S-Bahnsystem übertragen. Bis 2020 soll die Strecke Geltendorf-Lindau nach
jahrzehntelanger Planung elektrifiziert werden, damit mehr Züge schneller
zwischen München, dem Allgäu und der Schweiz fahren können.
Die DB Netz AG hat dazu nun eine Prognose vorgelegt. Demnach würden 2025 jeden
Tag 166 Züge im Abschnitt zwischen Geltendorf und Kaufering fahren, derzeit sind
es 89 Züge. „Die Zahlen zeigen, wie ausgereizt die Strecke sein wird und wie
viele Weichen und welche hohe Flexibilität beim Wechseln der Gleise notwendig
sein werden“, sagt Mirko Pötzsch von der Bürgerinitiative. Er hält den
dreigleisigen Ausbau der S 4 zwischen Pasing und Eichenau, den die
Staatsregierung plant, deshalb für langfristig nicht ausreichend. Der
Verkehrsexperte Ralf Wiedmann hält das Chaos für programmiert. „Es kommt nicht
von ungefähr, dass Bahnexperten früher betonten, dass Elektrifizierung und
Ausbau der S4 zusammengehörten“, sagt der gebürtige Puchheimer, der als
Präsident eines Schweizer Fahrgastverbands aktiv ist.
Die Prognosen habe man bei der Optimierung des geplanten Ausbaus der S 4
berücksichtigt, teilt das Innenministerium mit. Der Fernverkehr werde sich von
vier auf sechs Zugpaare erhöhen, die aber nicht den Engpass am Westkopf Pasing
belasten würden, weil sie vorher abzweigten. „Ein von der Bürgerinitiative
befürchtetes Chaos kann nicht nachvollzogen werden“, erklärt eine Sprecherin.
Bei der Bahn AG verweist man auf die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die
für den Freistaat den Zugverkehr bearbeitet. Der Personenfernverkehr werde durch
die Elektrifizierung von vier Zügen je Richtung auf acht zunehmen. Im
Güterverkehr fahren heute in der Regel drei Züge, künftig können es bis zu acht
sein, teilt ein Sprecher der Bahn mit. „Im Hinblick auf die Entwicklungen der
Nahverkehrszahlen bitten wir bei der BEG nachzufragen. Wie das Innenministerium
mitteilt, werden die Fahrpläne eng abgestimmt, um etwaige Fahrplan-Konflikte mit
der S-Bahn zu vermeiden.“
Bodack rät dazu, die Chancen der Elektrifizierung zu nutzen und die Zahlen der
Bahn nicht ganz ernst zu nehmen. „Diese Studie wurde erstellt, um die
Elektrifizierung zu rechtfertigen.“ Aufgrund der weiteren Besiedelung würden
allerdings im Nahverkehr irgendwann sicher so viele Züge fahren wie jetzt
prognostiziert. Der Verkehrsexperte aus Gröbenzell hat im Auftrag des
Landkreises das Konzept der Express-S-Bahnen entwickelt, die von Bruck nach
München fahren könnten. Das Ministerium hält den Vorschlag mangels
Gleiskapazitäten für nicht praktikabel.
Nach einer Elektrifizierung könnten im Nahverkehr Doppelstockzüge eingesetzt
werden und auf dem Weg von Buchloe nach München in Geltendorf, Bruck und Pasing
halten, sagt Bodack. Was bereits in Dachau und Starnberg funktioniert, sollte
auch für Bruck gelten. Notwendig dafür wäre allerdings ein Ausbau des Brucker
Bahnhofs. Es müssten zwei neue Bahnsteige angelegt werden, weil die existierende
Plattform für S-Bahnen für die Regionalzüge zu hoch ist. Ein neuer Bahnsteig auf
der Nordseite am Bahnhofsgebäude könnte für wenig Geld eingerichtet werden. Der
Bahnsteig auf der gegenüberliegenden Seite im Süden käme dagegen teuer, weil man
die Unterführung verlängern und einen Aufzug installieren müsste. „Das könnte
eine Million kosten“, schätzt Bodack.
Ohne Ausbau der Infrastruktur werde die Elektrifizierung aber zu mehr
Verspätungen führen, warnt auch Bodack. Als Notmaßnahmen könnten Überholspuren
dienen. Vor Pasing ließe sich der eingleisige Engpass von 600 Metern entzerren,
in dem man einen weiteren Bahnsteig baut. „Das ist eine absurde Situation, es
gibt ein weiteres Gleis, bloß fehlt dafür der Bahnsteig in Pasing“, erklärt
Bodack. Unumgänglich ist für ihn jedoch ein Ausbau der S4. Kommentar