Von Christian Krügel
Der S-Bahn-Fahrgast ist ja eigentlich schon genug geplagt. Besonders dann, wenn er im Westen der Stadt und des Umlands wohnt: Weil ein Bagger unpraktischerweise mit einem Zug kollidierte und dabei sämtliche Schienen in Olching verbog, sind seit vergangener Woche fast 80000 Menschen zwischen Lochhausen und Mammendorf vom S-Bahn-Verkehr abgeschnitten. Die müssen jetzt alle auf die Strecke nach Geltendorf ausweichen, die offiziell S4, im Fahrgast-Jargon aber nur Verdrusslinie heißt: kein Zehn-Minuten-Takt, kein eigenes Gleis, zu wenig Wagen, ständiges Warten auf irgendwelche überholende Züge aus der Schweiz.
Und weil all das noch nicht reicht, kommt jetzt auch noch der bayerische Verkehrsminister: Joachim Herrmann hat angekündigt, am heutigen Dienstag mit der S4 von Fürstenfeldbruck nach München zu fahren, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Und weil ja vier Politiker-Augen mehr sehen als zwei, kommt gleich auch noch Gerda Hasselfeldt mit, die CSU-Landesgruppenchefin in Berlin. Zwei CSU-Granden plus Leibwächter plus Bahn-Leute plus Reporter: Das Gedränge in der S4, Abfahrt 7.18 Uhr in Fürstenfeldbruck, wird heute endgültig unerträglich sein.
Das Schlimmste ist dabei ja noch gar nicht, dass Joachim Herrmann einem armen Pendler den Sitzplatz wegschnappt. Viel nerviger ist, dass öffentlichkeitswirksames S-Bahn-Fahren ausgerechnet jetzt wieder groß in Mode kommt. Neulich zum Beispiel stieg sogar S-Bahn-Chef Bernhard Weisser freiwillig in die S4, natürlich reichlich fotografiert und medial begleitet. Das Erstaunliche: Er fand bei seiner Probefahrt sogar noch Platz zum Durchgehen – in einem Zug stadtauswärts, am frühen Abend. Das hat ihn prompt dazu veranlasst, eine kesse These aufzustellen: „Es gab noch nie eine Beschwerde, dass jemand wegen Überfüllung nicht in den Zug kam“, sagte der S-Bahnchef.
Ein gefährlicher Satz, der den Verdacht nahelegt, dass all die hauptamtliche S-Bahn-Schau-Fahrer dieser Tage vor allem eines tun: Verständnis mit Pendlern heucheln, in Wirklichkeit aber keines haben – genauso wenig wie einen Plan, was mit der Münchner S-Bahn in naher Zukunft wirklich werden soll.
|