Brüchiger Burgfrieden
Seit die Bürgerinitiative 'S-4-Ausbau jetzt' gegründet wurde, geraten Vertreter von Grünen und SPD regelmäßig aneinander. Der Streit dreht sich fast immer um den geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel in München, auch wenn der aktuelle Zwist zwischen dem Brucker Verkehrsreferenten Mirko Pötzsch (SPD) und Elke Struzena (Grüne) sich an Formalia entzündet hat. Die Bürgerinitiative steht am Scheideweg: Ein Bündnis ohne inhaltliche Gemeinsamkeiten trägt nicht weit. Die Haltung zur Tunnelfrage muss geklärt werden.
Beim Gründungstreffen würgten die Teilnehmer eine inhaltliche Debatte ab. Für den begrenzten Zweck, Unterschriften für den Ausbau der Linie S4 zu sammeln, war diese Entscheidung richtig. Wenn es weiterhin eine Bürgerinitiative geben soll, die sich für die Belange der Pendler einsetzt, können die Meinungsunterschiede nicht weiter ausgeblendet werden. Denn die geplante zweite Röhre wirkt sich auf alle anderen Projekte im MVV-Gebiet aus und ist deshalb auch für die S4 von zentraler Bedeutung.
Die Fronten sind klar: Nicht bloß die Grünen, sondern alle anderen Gruppen in der Bürgerinitiative lehnen den Tunnel als verkehrspolitisch unsinniges Milliardengrab ab, die Kostenexplosion bei Stuttgart21 unterstützt ihre Argumentation. Bloß die SPD verteidigt die Röhre, schon um ihren Spitzenkandidaten Christian Ude nicht zu düpieren. Die Sozialdemokraten müssten also die Mehrheitsmeinung akzeptieren oder die Bürgerinitiative verlassen.
Die Grünen sollten es unterlassen, die Bürgerinitiative für parteipolitisches Eigenlob zu missbrauchen, wie es Struzena zuletzt in einer Pressemitteilung getan hat. Optimal wäre ohnehin, wenn sich die Parteien aus der Bürgerinitiative zurückziehen und die Pendler ihre Interessen selbst vertreten lassen. Aber die haben wohl auf Bahnsteigen und in überfüllten Zügen resigniert.Seite R8
(SZ vom 01.03.2013) |