10.11.2012    Drucken
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Auf dem Abstellgleis

 

Ein Experte hält den Einsatz zusätzlicher Expresszüge zwischen Fürstenfeldbruck und dem Hauptbahnhof für machbar. Bahn und Freistaat lehnen bislang aber den Einsatz ausrangierter Waggons und Loks aus Nürnberg ab

Von Stefan Salger

Fürstenfeldbruck-Wäre der nötige Wille vorhanden, dann könnten zusätzliche Express-S-Bahnen nach München auf der Linie S4 zumindest während der Rushhour einen Zehnminutentakt gewährleisten. 'Ein paar Hunderttausend Euro' für die Anpassung der Einstiegshöhe auf dem ungenutzten Bahnsteig Eins in Fürstenfeldbruck wären hierfür nach Einschätzung des Bahnexperten Karl-Dieter Bodack erforderlich-und ausrangierte, aber voll funktionsfähige Loks sowie Waggons, die zurzeit auf Abstellgleisen in Nürnberg auf bessere Zeiten warten. Ihre verbleibende 'Lebensdauer' wird auf etwa zehn Jahre geschätzt. Doch die Bayerische Eisenbahngesellschaft steht in dieser Angelegenheit voll auf der Bremse. Und ohne Bahn und den Freistaat geht nichts vorwärts.


Der Professor, der 27 Jahre lang in Stabs- und Führungspositionen bei der einstigen Bundesbahn und dem Nachfolger DB AG arbeitete, zeigte sich im jüngsten Planungsausschuss des Landkreises zuversichtlich, dass die verbliebenen Probleme gelöst werden könnten. Wasser auf die Mühlen der Kreisräte und auch von Landrat Thomas Karmasin, der bislang vergeblich für die Nürnberger Variante geworben hat. Dem Argument der Bahn, der Einsatz zusätzlicher S-Bahnen sei allein schon wegen des fehlenden rollenden Materials nicht möglich, widerspricht Bodack. Die in der fränkischen Stadt parkenden Züge sind zwar technisch nicht für das Befahren der unterirdischen Stammstrecke in München geeignet, haben etwas weniger Türen, als die Münchner S-Bahnen und beschleunigen langsamer. Im oberirdischen S-Bahnbetrieb aber könnten sie eingesetzt werden, vor allem dann, wenn sie nicht an allen Stationen halten müssten. Bodack weist ausdrücklich Behauptungen des Wirtschaftsministeriums zurück, die Züge seien nicht barrierefrei. 'Das sind sie sehr wohl', sagte er im Ausschuss. Expresszüge, die auf dem Weg zum Hauptbahnhof lediglich an zwei oder drei Stationen wie Puchheim und Pasing halten würden, benötigen für die Strecke lediglich 18 statt 28 Minuten. Der stark belastete Knotenpunkt Pasing ist dabei so etwas wie ein Nadelöhr, das räumt auch Bodack ein. Dennoch hält er dieses Problem für lösbar. Eine Einbeziehung von Buchenau dagegen ist nach Einschätzung des Bahnexperten aus technischen Gründen wohl nicht machbar-wegen der ausgeschöpften Gleiskapazität.


Man könne es sich nicht leisten, 15 Jahre oder mehr auf den Bau der zweiten Stammstrecke zu warten, um endlich die Sache mit dem Zehnminutentakt angehen zu können, findet Fürstenfeldbrucks OB Sepp Kellerer (CSU). Dass sich das ganze Projekt als frommer, aber unerfüllbarer Wunsch herausstellen könnte, darauf freilich deutet eine Stellungnahme der Bayerischen Eisenbahngesellschaft hin. In einem Schreiben vom 9. Oktober bekundet diese zwar höfliches Interesse an der Idee mit den Nürnberger Zügen, vertröstet die Fahrgäste aber auf das 'Ende des Jahrzehnts'. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt das bayerische Wirtschaftsministerium in einem Brief vom 11. Oktober. Erst ums Jahr 2020 herum stünden nach abgeschlossener Elektrifizierung der Allgäu-Strecke nach Lindau wieder Gleiskapazitäten zur Verfügung, schreibt die Bahn. Erst dann also könne überzusätzliche Verbindungen von Fürstenfeldbruck nach München nachgedacht werden. Damit ist auch ein weiterer Vorschlag vom Tisch. Der Nahverkehrsbeauftragte im Landratsamt, Hermann Seifert, hatte ausloten wollen, ob die S4 möglicherweise auf Kosten der S3 und S8 kürzer getaktet werden könnte. Denn während die S4 im Berufsverkehr mit drei Zügen pro Stunde auskommen muss, fahren auf den anderen Linien jeweils sechs Züge auf der Stammstrecke. Der Landkreis hatte angeregt, pro Stunde jeweils eine S-Bahn der beiden gut ausgestatteten Linien über die Sendlinger Spange (S20) zu führen, um auf diese Weise zusätzliche Kapazitäten für die S4 zu schaffen. Ein Ansinnen, das mittlerweile aber sowohl von der Gemeinde Maisach als auch Gröbenzell mit Hinweis auf den für Fahrgäste komplizierteren Fahrplan sowie den eigenen zunehmenden Bedarf an öffentlichem Nahverkehr zurückgewiesen wurde.


Gleichwohl spricht sich der Olchinger Bürgermeister und SPD-Kreisrat Andreas Magg dafür aus, den Druck auf die Verantwortlichen bei Bahn und Freistaat zu erhöhen-um zumindest den Einsatz der Nürnberger Züge doch noch durchzusetzen.


(SZ vom 10.11.2012)