Tunnel oder Tangente

S-4-Initiative diskutiert über Zukunft der S-Bahn - und bleibt trotz Differenzen sachlich

Puchheim - Der Referent ließ kein gutes Haar an dem geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel in München. 'Sie kriegen einen Zehn-Minuten-Takt erst, wenn das Projekt gekippt ist', warnte Matthias Hinzen die über 30 Zuhörer, die am Montag in den Puchheimer Bürgerstuben über die Zukunft der S-Bahn im Allgemeinen und der S4 im Besonderen diskutierten. Als Alternative präsentierte Hinzen den Plan A, den sieben Umwelt- und Fahrgastverbände entwickelt haben. Diese Alternative zum Bahnknotenkonzept der Staatsregierung räumt dem Ausbau von Außenstrecken sowie einer besseren Technik den Vorrang ein.

Eingeladen zu der Veranstaltung hatte die Initiative 'S-4-Ausbau jetzt'. Deren Aktivisten hatten sich in der Gründungsphase vor einem Jahr heftig über den Tunnel gestritten, den die SPD verteidigt und die Grünen ablehnen. Am Montag blieb es friedlich und sachlich, gekommen waren Politiker von SPD, Grünen, CSU und den Unabhängigen Bürgervereinigungen, darunter sämtliche vier Puchheimer Bürgermeisterkandidaten. Lediglich SPD-Bewerber Norbert Seidl hielt dem Referenten vor, dass er so tue, 'als wären alle Tunnelbefürworter Idioten, die sinnlos Geld ausgeben wollen.'

Hinzen hatte dargestellt, dass der Tunnel nicht bloß sehr teuer wäre, sondern keine Verbesserungen bringen würde. 'Selbst bei viergleisigem Ausbau der S 4 brächte die zweite Röhre nach dem Betriebskonzept Taktverschlechterungen in den Hauptverkehrszeiten.' Sein verkehrspolitisches Argument ist, dass in der Innenstadt bereits 90 Prozent der Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werde, an der Stadtgrenze seien es nur 30 Prozent. Darum wäre es seiner Ansicht nach sinnvoller, das Geld im Außenbereich zu investieren.

Den Verweis aus den Reihen der SPD auf den prognostizierten Bevölkerungszuwachs in der Region, ließ Hinzen nicht gelten. 'Der zweite Tunnel wäre nur sinnvoll, wenn alle diese Menschen am Hauptbahnhof oder am Marienplatz einen Arbeitsplatz fänden', sagte er, wenn also die Situation so wäre wie in Frankfurt. In München wäre laut Hinzen eine S-Bahn-Tangente über den Südring besser. Dadurch würde ein Potenzial von 200000 Menschen für die S-Bahn erschlossen, die dort leben, und ein Teil der S-Bahnen aus den Außenästen könnte zum Heimeranplatz und zum Harras fahren und dort die U-Bahnen erreichen. Das würde die Stammstrecke entlasten.

Das Konzept von Plan Asieht mehr Zuggarnituren und bessere Signaltechnik vor. Die Bahnhöfe in Laim und am Ostbahnhof bekämen jeweils ein zusätzliches S-Bahn-Gleis. In der zweiten Stufe würden die Außenäste, darunter die S 4, sowie der Südring ausgebaut. Hinzen erinnerte daran, dass die Stadt München und der MVV ein Konzept vorgelegt hatten, das einen Zehn-Minuten-Takt vorsieht und den Ausbau des Südrings. Dass diese Variante in einer Kosten-Nutzen-Untersuchung so schlecht abgeschnitten habe, erklärte Hinzen mit Tricksereien.

Das Problem sei, dass die teilprivatisierte Bahn Gewinne machen muss. 'Preiswertes Bauen ist nicht gefragt', so Hinzen. Einfache Maßnahmen, wie die Beseitigung einer Engstelle bei Pasing, wo es von Bruck her einen mehrere hundert Meter langen eingleisigen Abschnitt gibt, würden nicht verwirklicht. Der Brucker Verkehrsreferent Mirko Pötzsch (SPD) nannte die Kosten-Nutzen-Analysen willkürlich. Trotz der Argumente Hinzens sei er aber überzeugt, dass eine zweite Röhre 'einige Vorteile bietet'. Entscheidend sei jedoch für den Landkreis, dass alle zusammen 'weiter kämpfen für den Ausbau der S 4'. Peter Bierl


(SZ vom 13.06.2012)