Erinnert sich noch jemand an den Transrapid, das Wunderwerk von Bund und Land für München? Exakt vier Jahre liegt es zurück, dass diese Pläne auf ewig in die Archive wanderten. Dass das Ding schlicht zu teuer war, wussten zwar alle, trotzdem hatte es acht Jahre gedauert, bis sich diese Erkenntnis auch offiziell durchsetzte.
Genau das droht dem 15-Jahre-Projekt zweite Stammstrecke: Seit Wochen wird von Politikern in leisen Andeutungen der Boden dafür bereitet, dass es auch mit diesem Wunderwerk nichts wird, obwohl es doch die Münchner S-Bahn-Probleme lösen sollte. Denn dummerweise ist Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) inzwischen eingefallen, dass er leider doch kein Geld hat für dieses Projekt, das ihn ohnehin nie interessierte.
Es ist eine Farce. In Berlin liegt eine kilometerlange Liste wünschenswerter Verkehrsprojekte, die beständig verlängert statt abgearbeitet wird. Jedermanns Wünsche bekommen hier ein amtliches Siegel, so werden Hoffnungen geweckt, und die jeweiligen Politiker können sich als Streiter für die Interessen ihrer Heimat feiern. Aber nichts geht voran. Schlimmer noch: Es geht rückwärts. Denn auf Unerfüllbares zu hoffen, blockiert die Suche nach Alternativen, über Jahre und Jahrzehnte. So war es bei der Flughafenanbindung per Transrapid, so wird es beim S-Bahn-Tunnel sein. Stattdessen werden Millionen für Studien, Planungen und Genehmigungen verpulvert, womit man Dutzende Stellwerke sanieren, Weichen frostsicher machen und S-Bahn-Fahrer hätte einstellen können.
Und wenn sich in ein paar Wochen endlich einer erbarmt und das Aus für die Stammstrecke verkündet, und wenn das gegenseitige Beschuldigen der Politiker einsetzt, dann bleibt als Ergebnis des Projekts nur eins: Um dem Bau eines neuen S-Bahn-Halts am Marienhof zuvorzukommen, haben Archäologen dort gegraben und eine Latrine entdeckt, die beweisen könnte, dass München 150 Jahre älter ist als gedacht. Man sollte sie als Ramsauer-Gedächtnis-Klosett ins Stadtmuseum stellen. Kassian Stroh
(SZ vom 16.04.2012)