Fürstenfeldbruck - Schon heute behindern sich Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr zwischen Pasing und Geltendorf. Die Situation könnte sich noch dramatisch verschlimmern, wenn die Bahnstrecke zwischen Geltendorf und Lindau, wie geplant, bis 2013 elektrifiziert wird. Nach Angaben der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und des bayerischen Verkehrsministeriums verkehren dann täglich in beide Richtungen vier bis sieben zusätzliche Züge zwischen München und Zürich. Die Bürgerinitiative 'S-4-Ausbau jetzt' befürchtet chaotische Zustände und appelliert an Landtag und Regierung, die Strecke Pasing-Buchenau 'schnellstmöglich' viergleisig auszubauen.
Das bayerische Ministerium rechnet nach eigenen Angaben mit vier zusätzlichen Fernzügen im Abschnitt zwischen Geltendorf und Pasing nach der Elektrifizierung. Im Güterverkehr erwarte man eine geringfügige Steigerung von 15 auf 16 Züge im Jahr 2025. Der Zuwachs im Regionalverkehr könne derzeit nicht beziffert werden. Die Schweizerischen Bundesbahnen teilten der SZ mit, dass sie mit einer Zunahme des Fernverkehrs zwischen München und der Schweiz um je sechs Züge pro Richtung kalkulieren. 'Optional können es sieben Züge sein', sagte ein SBB-Sprecher.
Die SBB wünschen einen Zwei-Stunden-Takt. Die Fahrzeit soll sich durch die Elektrifizierung und den Einsatz von Zügen mit Neigetechnik von vier Stunden und zehn Minuten auf dreieinhalb Stunden reduzieren. Dafür streckt die Schweiz für ein bayerisches Unternehmen der Staatsregierung rund 50Millionen Euro in Form eines Kredits vor. Der bayerische Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) hatte den Beginn der Arbeiten für 2013 angekündigt.
'Schon heute bringen die vier Eurocity-Züge Zürich-München den S-4-Fahrplan gehörig durcheinander', sagt Ralf Wiedemann, Präsident der Interessengemeinschaft Tösstallinie, einer Bürgerinitiative für diese Bahnverbindung bei Zürich. Als ehemaliger Puchheimer Bürger kennt Wiedemann den Verdruss mit der S-Bahn aus eigener Anschauung. Wiedemann verweist darauf, dass die S-Bahn schon jetzt wegen 22 fahrplanmäßiger Überholungen durch Regional- und Fernzüge aus dem Takt gerät. Die S-Bahn muss in Geltendorf und Grafrath früher abfahren oder später ankommen und in der Buchenau warten. Dazu kommen außerplanmäßige Überholungen im Winter, weil die Strecke im Allgäu anfällig für Verspätungen ist. 'Mit der Verdopplung des Fernverkehrs wird sich die gegenseitige Behinderung noch verstärken', warnt Wiedemann.
Die Bürgerinitiative 'S-4-Ausbau jetzt' teilt seine Bedenken und unterstützt Wiedemanns Appell an die Politiker entlang der Strecke von Lindau bis Pasing, sich für eine Finanzierung des immer wieder verschobenen S-4-Ausbaus einzusetzen. Andernfalls werde der Fahrplan der S-Bahn zur Makulatur und die Fahrzeitgewinne durch die Elektrifizierung ließen sich nicht verwirklichen.
Frank Kutzner, heute Verkehrsexperte des Wirtschaftsministeriums, hatte der SZ Ende 2007 als Ingenieur der Abteilung Infrastruktur der Bayerischen Eisenbahngesellschaft erklärt, die Elektrifizierung und der viergleisigen Ausbau bis Buchenau dienten dazu, den Regionalverkehr zwischen München und Lindau um 20 Prozent zu erhöhen. Ausbau und Modernisierung gehörten zusammen, weil nur dann sowohl der S-Bahn-Takt als auch der Regionalverkehr attraktiver werden könnten.
Ob die Elektrifizierung tatsächlich zwischen 2013 und 2017 abgeschlossen wird, ist allerdings nicht klar. Eine Sprecherin des bayerischen Verkehrsministeriums, erklärte, ihr Haus begleite die Elektrifizierung 'sehr intensiv und drängt auf eine möglichst zügige Umsetzung'. Weil aber nun ein anderes Fahrzeug zwischen München und Zürich eingesetzt werden soll, müsse die Bahn AG den Einfluss auf die Infrastruktur prüfen. 'Aufgrund dieser umfangreichen Änderungen sind inhaltliche Aussagen zum Projekt derzeit nicht möglich.' Der Baubeginn an einzelnen Bahnübergängen werde jedoch weiterhin für 2014 geplant.
Der Elektrifizierung München-Lindau hatte die Deutsche Reichsbahn vor rund 80Jahren hohe Priorität bescheinigt. Weiter als bis Geltendorf ist das Projekt aber nicht gediehen. (Kommentar)
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