Kommentar: Durchsichtiges Ablenkungsmanöver

Von Peter Bierl

Die Geschichte des verpatzten Ausbaus der S4 ist ein Trauerspiel. Das gilt für das gesamte Projekt wie für Details, zum Beispiel die Nutzen-Kosten-Untersuchung. Diese Studie kündigte Ministerpräsident Horst Seehofer im Januar 2011 für Mitte 2011 an, im Juni hatte die Arbeit daran noch nicht einmal begonnen. Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) vertröstete auf Ende 2011, jetzt wird es 'voraussichtlich' März 2012. Obwohl das Papier also noch nicht fertig ist, lieferte der Liberale vor Weihnachten schon das Ergebnis, einen Nutzen-Kosten-Faktor knapp über der Rentabilitätsschwelle. Nun erklärt sein Mitarbeiter in Puchheim, dass weder Bürger, noch Kommunalpolitiker oder gar die Landtagsabgeordneten, die über das Projekt beschließen, diese ominöse Studie je sehen dürfen. Das verstärkt den Eindruck, dass die Staatsregierung schummelt und trickst, um das Wahlvolk bei Laune zu halten.

Die Grundlagen des Nutzen-Kosten-Faktors werden nicht transparent gemacht, die Zahl selbst kann laufend verändert und bei Bedarf mit einem negativen Vorzeichen versehen werden. Dieses Gehampel degradiert Nutzen-Kosten-Untersuchungen, die im Prinzip sinnvoll wären, zum Ablenkungsmanöver und Legitimationsinstrument für Politiker, die an zweifelhaften Projekten wie der zweiten Röhre in München festhalten und dafür Verbesserungen auf der S4 und anderen Strecken opfern.

Die Bürger müssen selbst aktiv werden, wenn sich in dieser Generation noch etwas ändern soll. Das Bündnis 'S-4-Ausbau jetzt' ist ein Anfang, aber es müssten sich mehr Menschen beteiligen, die nicht parteipolitisch gebunden sind, und den Verantwortlichen spürbar auf die Füße treten. Eine gute inhaltliche Grundlage liefert das neue Konzept von Umwelt- und Verkehrsgruppen, das vorsieht, mit Ausbauten am Ostbahnhof und am Südring, mit mehr Personal und Reservezügen die S-Bahn-Misere in absehbarer Zeit und bezahlbar zu beheben. Diese Argumente sind nicht neu, aber nachvollziehbar. Das Konzept ist transparent - die Autoren nennen es 'Plan A'.

(SZ vom 28.01.2012)