Die Sofortmaßnahmen zur Verbesserung sollen 300 Millionen Euro kosten.Raus aus
dem Tunnel
Kleine Schritte statt großer Wurf: Umwelt- und Fahrgastverbände präsentieren
Alternativkonzept zur zweiten Stammstrecke
Von Marco Völklein
München - Angesichts der offenen Finanzierung für die zweite S-Bahn-Stammstrecke
haben sich mehrere Umwelt- und Fahrgastverbände auf ein Alternativkonzept
geeinigt - und wollen nun bei Parteien und Verbänden für einen 'Plan B' zum
geplanten Tunnel werben. 'Die Konzentration auf ein einziges Riesenprojekt muss
beendet werden', fordert Christian Hierneis vom Bund Naturschutz (BN). Mit
vielen kleinen Schritten könne der Nahverkehr in der Region besser ausgebaut
werden als mit dem Tunnel.
Neben dem BN und dem Fahrgastverband Pro Bahn unterstützen der ökologisch
orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD), Green City, das Münchner Forum sowie
die Fahrgastvereinigung 'Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr' den Plan, den die
Ingenieure Stefan Baumgartner, Thomas Kantke und Dietz-Ulrich Schwarz entwickelt
haben. Er soll eine ähnliche Funktion haben wie die Alternativplanung in
Stuttgart, wo sich BN, VCD und Pro Bahn an einem Gegenentwurf zur Tieferlegung
des dortigen Hauptbahnhofs beteiligt hatten.
Um mehr Fahrgäste zum Wechsel vom Auto auf die Schiene zu locken, sieht das
Konzept in einem ersten Schritt unter anderem die Einführung eines
Zehn-Minuten-Takts auf den Westabschnitten von S6, S7 und S8 vor sowie im Osten
auf der S4. Zudem sollten S1 und S4 durchgehend als Lang- statt Vollzüge fahren.
Da die bei der Münchner S-Bahn
eingesetzten Züge der Baureihe ET423 nicht mehr gebaut werden, müssten aus
anderen Regionen 25 Züge nach München verlegt werden. Zudem fordern die Gruppen
einen Ausbau des Bahnhofs Laim und die Freigabe eines weiteren Gleises für den S-Bahn-Betrieb
am Ostbahnhof - so könnten mehr Züge die alte Stammstrecke passieren. Um die
Stabilität des Betriebs zu verbessern, hatte die Bahn zuletzt bereits
zusätzliche Rechner für die Stammstrecke angeschafft und setzt seit Dezember zur
Hauptverkehrszeit Abfertiger entlang der Trasse ein. 'Das geht in unsere
Richtung', sagt Baumgartner, 'lässt sich aber noch verbessern'. Würde der
Lokführer alle Türen bei Einfahrt des Zuges umgehend öffnen und diese bis zur
Zwangsschließung offen halten, wären wertvolle Sekunden gewonnen. Unterm Strich
würden diese ersten 'Sofortmaßnahmen' etwa 300 Millionen Euro kosten, so die
Kalkulation der Planer.
Wesentlich teurer kommt dann allerdings Stufe zwei: Dabei schlagen die Planer
eigene Gleise für die S-Bahn
in Außenbereichen vor (etwa nach Neufahrn oder nach Markt Schwaben) sowie einen
Ausbau des Bahn-Südrings. Diesen Ausbau hatten Gutachter im Auftrag des
Freistaats 2009 als zu teuer verworfen. Damals sei nur 'eine Maximalvariante'
betrachtet worden, sagt Kantke. Der von ihnen entwickelte Vorschlag eines
Teilausbaus sei günstiger. Alles in allem umfasst das Konzept dennoch ein
Volumen von 2,5Milliarden Euro. Für die zweite Stammstrecke kalkulieren Bahn und
Freistaat derzeit bis zu 2,2 Milliarden Euro, räumen aber ein, dass danach
weitere Ausbaumaßnahmen nötig wären.
Die Umsetzung des Konzepts dürfte also schwierig werden. Denn es fehlt am Geld
für den Nahverkehr. Auch die Finanzierung des Tunnels ist ungelöst. Der Bund
soll die Hälfte der Kosten tragen, hat derzeit aber nur 200 Millionen Euro zur
Verfügung, wie ein Gespräch zwischen Stadt und Freistaat vor zwei Wochen ergab.
Um das Finanzloch zu schließen, soll die Stadt 350 Millionen Euro zuschießen -
das fordern CSU und FDP. Der Zuschuss soll nach Darstellung der Stadt als
'zinsloses Darlehen' fließen. Auch eine Bürgschaft sei nicht vorgesehen. Eine
Rückzahlung sei 'unsicher beziehungsweise unwahrscheinlich', so das Fazit von OB
Ude (SPD). Er lehnt eine Beteiligung ab. (Kommentar)