Kampf für die Friedhofsruhe


Es gibt nichts, worüber sich ruhebedürftige Mitmenschen nicht aufregen. Als störend werden läutende Kirchenglocken, Sport-, Bolz- und Spielplätze, krähende Hähne, am Himmel kreisende Kleinflugzeuge, laute Feste oder einfach nur der grillende Nachbar empfunden. Einige im Ortsteil Höfen lebende Grafrather haben nun einen neuen, unzumutbaren Störfaktor entdeckt, gegen den sie Sturm laufen: Der geballte Protest der Anwohner richtet sich diesmal gegen eine geplante Kinderkrippe.

Wer so naiv ist zu glauben, es wäre die Aufgabe von Kommunalpolitikern, für eine familien- und kinderfreundliches Lebensumfeld zu sorgen, lernt aus solchen Kontroversen, worauf es auch auf einem Dorf wirklich ankommt: Ein Gemeinderat hat sicherzustellen, dass jeder in seiner Friedhofsruhe weiterleben kann, wie er es gewohnt ist. Und es finden sich auch bei dem Sturmlauf gegen eine Krippe Politiker, die allzu willfährig sind und ein solches Spiel mitmachen, ohne sich zu schämen. Schließlich versteht man sich als wahrer Volksvertreter - und man will ja in einigen Jahren wiedergewählt werden.

Sicher zählt Lärm zu den größten Beeinträchtigungen der Lebensqualität. Und auch über die Zumutbarkeit vieler Lärmquellen lässt sich streiten, vieles ist verbesserungsfähig. Aber auch dem Egoismus Einzelner muss ein Gemeinwesen Grenzen setzen. Letzteres sollte für das Grafrather Krippenprojekt gelten. So werden beispielsweise Brandschutzgründe bemüht, weil wegen einiger parkender Autos angeblich die Feuerwehr nicht mehr zum Löschen vorfahren kann. Zudem wird den Eltern der Krippenkinder unterstellt, sie seien nicht bereit, die Ruhe der Anwohner zu respektieren und eine vor der Stichstraße zum Hort geplante Parkmöglichkeit der Gemeinde zu nutzen. Das sind Fragen, die sich vor dem Bau der Krippe einvernehmlich klären lassen sollten und die damit als stichhaltige Ablehnungsgründe ausscheiden.

Das hat zum Glück die Mehrheit der Grafrather verstanden. Sie reagierte richtig. Eine Gegeninitiative stärkt mit einem Vielfachen an Unterschriften dem Bürgermeister den Rücken. Wer miterlebte, wie noch in den 80er Jahren im Landkreis in Stadt- oder Gemeinderäten über den Bau von damals gesellschaftspolitisch unerwünschten Kindergärten gestritten wurde, weiß, wie schwer und steinig hierzulande der Weg zu einer kinderfreundlichen Gesellschaft ist, in der für Männer und Frauen endlich Beruf und Familie vereinbar sind. Selbst für die Minderheit, die das Glück hat, einen Krippenplatz zu finden, bleibt die Erziehungsaufgabe schwer genug.

Wochenkommentar vonGerhardEisenkolb

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.31, Samstag, den 07. Februar 2009 , Seite 1