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„Tschuk tschuk tschuk die Eisenbahn, wer kann überhaupt noch mit mir fahr‘n?“

Ein Kommentar zu den Hochschulreformen aus Würzburg

Wieder einmal mache ich mich mit der Deutschen Bahn auf den Weg von meiner oberbayerischen Heimat Kottgeisering in die Universitätsstadt Würzburg, meine Studien-Heimat seit fünf Jahren.

Ah, zucken Sie gerade das erste Mal zusammen? Fünf Jahre Studium, 10 Semester also - Mein Gott, ist das lang!

Warten Sie erst, bis ich Ihnen erzähle, dass ich Pädagogik studiere, da hört das Schütteln gar nicht mehr auf! Weiblich, Geisteswissenschaftlerin, Diplom-Studentin (nicht der neue Bachelor), unbezahlte Dauerpraktikantin: Außer Taxler springt für mich beruflich wohl nicht mehr viel heraus!

Jedenfalls ist dies der übliche Kommentar zu meinem bisherigen Werdegang.

Wenn ich mir vorstelle, dass derartige Vorurteile zum einen ja leider auch ein Fünkchen Wahrheit beinhalten und zum anderen genau der Haltung der Bildungspolitiker entsprechen, welche natur- und wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge stets in den Vordergrund rücken, wenn es um die vermeintliche „Bildungselite“ geht und welche die Studienzeiten durch die Bachelor/Master-Einführung verkürzen und reglementieren, dann überkommt mich großer Zweifel am Bildungssystem Deutschlands.

Die Unzufriedenheit wächst ...

Zu Beginn meines Studiums waren Bachelor- Studiengänge noch Neuland, Studiengebühren existierten noch gar nicht. Doch seit der Einführung beider „innovativer“ Reformen ist das Einzige, das bei meinen KommilitonInnen wächst, die Unzufriedenheit.

Studiengebühren, die ja offiziell der Verbesserung der Lehre dienen sollen, verfehlen ihren Zweck. So kann man an meinem Institut zwar feststellen, dass wir, dank Studiengebühren, jedes Semester zwei bis drei Vorträge von Gastdozenten angeboten bekommen, jedoch liegt die Organisation dieser Veranstaltungen in studentischer Hand, die Initiative dazu ergriff die ehrenamtlich tätige Fachschaft meines Fachbereiches. Wir verbessern unsere Lehre quasi selbst – Danke, liebes Ministerium!

Auch ist es rätselhaft, welche Anschaffungen neuerdings unter „Verbesserung der Lehre“ fallen. So wurden an einem Institut meiner Universität beispielsweise Tische und Stühle von Studiengebühren bezahlt, was eigentlich gar nicht zulässig ist.

Da sich jedoch die Beschwerden über kleidungszerstörende, unfallverursachende, uralte Sitzmöbel häuften und die eigentlich zuständige Stelle seit Semestern Investitionen in diesen baulichen Bereich verweigerte, sah sich das Institut gezwungen, der Sache mithilfe von Studiengebühren Herr zu werden.

Die 500 Euro zur Verbesserung der Lehre haben sich also wirklich gelohnt. Habe ich erwähnt, dass die Studenten die Möbel selbst vom Laster in die Seminarräume tragen sollten? Aber alles im Dienste der Bildung, versteht sich.

Die Forderung der Studenten ist klar: Wenn wir schon gezwungen werden zu zahlen, dann lasst uns wenigstens selbst bestimmen, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Doch in Punkto „Studentische Mitbestimmung“ gibt sich der Freistaat nicht so innovativ wie er mit dem Slogan „Mit Laptop und Lederhose“ gerne suggeriert.

So viel zur tatsächlichen Verwendung der Studiengebühren, weitere Anekdoten gerne auf Anfrage...

Viel dringlicher ist meines Erachtens nach jedoch die Frage, in wie weit eine Einführung von Studiengebühren wirklich zu befürworten ist.

Aus Gründen der Sozialverträglichkeit, des freien Zugangs zu Bildungsmöglichkeiten und der Chancengleichheit, habe ich starke Zweifel daran.

So sehe ich viele Kommilitoninnen, die, durch die zusätzliche Einführung der Bachelor- Studiengänge („Bildung“ im Schnelldurchlauf) ernsthafte Schwierigkeiten haben, den Druck ihres beschleunigten Studiums, die dadurch fehlende Zeit für Nebenjobs und zugleich die Verpflichtung zur Zahlung von Studiengebühren unter einen Hut zu bekommen.

Viele scheitern, das heißt im ersten Falle, sie bekommen schlechte Noten oder müssen länger studieren, was zusammenhängt mit den Folgen des zweiten Falles, dass nämlich nun die Eltern oder staatliche Hilfen (Bafög) finanzielle Unterstützung leisten müssen. Der dritte Fall zwingt viele, auf einen Studienkredit zurückzugreifen, den sie dann noch Jahre nach ihrem Studium mit ordentlich Zinsen abbezahlen dürfen.

Leistungsdruck und Verschuldung

Junge Menschen werden also unter erheblichen Leistungsdruck gesetzt, müssen sich zunehmend verschulden und zugleich aber die Bildungselite innerhalb einer sog. Wissensgesellschaft verkörpern. Ich bin gespannt, wer diesen Spagat schafft und wer aus dem System fällt.

Die unangenehme Vorahnung, dass es wohl weniger diejenigen mit stabilen familiären, sozialen und finanziellen Verhältnissen trifft, ist so unrealistisch nicht.

Somit vergrößern sich die Unterschiede zwischen verschiedenen Teilen unserer Gesellschaft immer mehr, „Bildung“ entfernt sich zusehends von seinen Idealen wie Mündigkeit und Autonomie und wird für politische Zwecke instrumentalisiert, die weder der Verbesserung der Bildungslandschaft Deutschlands, noch der Chancen wirklich jedes Einzelnen dienen.

Aus studentischer Sicht erscheinen die Einführung der Studiengebühren und des Bachelor/Master-Systems wie eine Mogelpackung. Dumm nur, dass man sein Geld nicht zurück verlangen kann und das, obwohl man doch immer als „Kunde“ gesehen wird.

Meine Fahrten nach Würzburg enden nun, trotz meines Studienabschlusses, noch nicht. Ich habe sage und schreibe eine Arbeit gefunden! Und ich bekomme sogar Geld dafür!

Doch was den unaufhaltsamen „Bildungszug ins Nirgendwo“ angeht, bin ich froh, dass für mich nun einmal Endstation ist und ich mich vom hochschulpolitischen „Schienenersatzverkehr“ verabschieden kann.

Oh Mist, apropos, ich muss ja umsteigen! ...


 

 



 

Zeitdruck und Verschulung

Ein Kommentar zum Bologna-Prozess aus Berlin

Viel Kritik wurde an der Studienreform im Zuge des sog. Bologna-Prozesses geübt. Die Kernpunkte der Kritik sind im Allgemeinen der hohe Zeitdruck, der auf den Studierenden im Bachelor-Studium lastet und die starke Verschulung des Studiums. Dass die neue Studienstruktur nicht grundsätzlich auf Ablehnung stößt, zeigte eine Studie des Bundesforschungsministeriums, wonach drei Viertel der 17.000 befragten Bachelor-Studenten diese prinzipiell für sinnvoll erachten; doch die konkrete Gestaltung der Bachelor-Studiengänge zieht viel Kritik auf sich.

Durch die kurze „Regelstudienzeit“ von drei Jahren entsteht vor allem für Studierende, die auf BAföG angewiesen sind, ein enormer Zeitdruck. Auch ist es den meisten Bachelor-Studenten nicht möglich über den Tellerrand des eigenen Fachgebiets hinauszublicken. In den Vorlesungsverzeichnissen der Universitäten finden sich viele interessante, studienfachfremde Veranstaltungen, aber nur sehr selten ist der Besuch von einer oder gar mehrerer mit dem Stundenplan vereinbar. Auch gibt es kaum eine Möglichkeit für einen Auslandsaufenthalt    (z. B. ein Erasmus-Semester) im Bachelor-Studium.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die starke Verschulung des Studiums. Der o.g. Studie des BMBF zufolge empfinden 82% der Bachelorstudenten ihr Studium als stark geregelt. Das äußert sich beispielsweise in einem sehr kleinen Wahlbereich oder wöchentlich abzugebenden Hausaufgaben. Selbstständiges Arbeiten wird dadurch sicher nicht gefördert und auch der Individualität des Lernenden wird man dadurch nicht gerecht. Nach meiner Erfahrung haben diejenigen Studierenden einen Vorteil, die gut im Auswendiglernen sind und sich Sachverhalte schnell einprägen können. Ein tieferes Verständnis der Hintergründe und Zusammenhänge dagegen wird auch in Klausuren nur selten geprüft.