Startseite

Ortsverband   Grafrath/Kottgeisering

eMail an den Ortsverband
Fragen, Kritik, Anregungen

 

Ortsvorstand und Gemeinderäte

HARTZ-IV-Regelsatz: Eine Frage der Menschenwürde

Anfang letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Leistungssätze für völlig falsch berechnet erklärt. Drei Familien hatten vor den Sozialgerichten geklagt, weil sie die Hilfssätze für Kinder und Erwachsene zu gering fanden - sie bekamen vom Verfassungsgericht im Grundsatz Recht. Und die Verfassungsrichter gingen noch einen Schritt weiter. Erstmals äußerten sie sich auch grundsätzlich zum sogenannten Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und urteilten:

·         Die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene ist verfassungswidrig.

·         Sie bleibt aber bis zum Jahresende in Kraft.

·         Ab 1. Januar 2011 muss eine Neuregelung gelten.

·         Bis dahin können Hartz-IV-EmpfängerInnen ergänzende Leistungen beanspruchen, soweit dies zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich ist.

Kurz nach Bekanntgabe des Urteils wurde klar, wie die schwarz-gelbe Bundesregierung gedachte, das Urteil umzusetzen: nach Kassenlage. „Die Forderung des Gerichts nach ergänzenden Leistungen zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums werden sehr restriktiv gehandhabt“, hieß es schon mal abschreckend. Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit legten dann einen Härtefall-Katalog vor. Demnach sollten nur wenige Härtefälle als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.  Nach dem unwürdigen Getöse der FDP-Steuersenker gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen wurde es erst einmal ruhig.

Neue Berechnung – keine Verbesserung

Es wurde gerechnet. Grundlage für die Berechnung des Hartz-IV-Regelsatzes ist die "Einkommens- und Verbrauchsstichprobe" des Statistischen Bundesamtes. Die Stichprobe wird alle fünf Jahre erhoben. Gefragt wird in rund 60.000 Haushalten nach den Einnahmen und Ausgaben, nach dem Eigentum und nach der Wohnsituation. Zur Berechnung herangezogen wurden dann die 15 % der untersuchten Haushalte mit dem geringsten Einommen. Daraus ergeben sich die Ausgaben eines Muster-Einpersonenhaushaltes in verschiedenen Kategorien wie Nahrungsmittel, Bekleidung und

 

Hartz-IV ist die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“, das Arbeitslosengeld II.  Etwa die Hälfte der EmpfängerInnen ist arbeitslos gemeldet. Die andere Hälfte erhält Leistungen, ohne offiziell arbeitslos zu sein. Etwa 250.000 Hartz-IV-BezieherInnen verdienen  mehr als 400 Euro, müssen aber ihren Lebensunterhalt weiter aufstocken. Weitere 250.000 absolvieren Maßnahmen zur Qualifizierung. 2,3 Millionen Hartz-IV-BezieherInnen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung, weil sie  krank sind, kleine Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder zur Schule gehen. Außerdem leben 1,8 Millionen Kinder von Hartz IV. Die meisten von ihnen sind jünger als 15 Jahre. Keinen Anspruch auf Hartz-IV haben Menschen, die nicht erwerbsfähig sind, also auf absehbare Zeit nicht länger als drei Stunden pro Tag arbeiten können und Menschen über 65 Jahre.

 

Haushaltsgegenstände. Das Arbeitsministerium legte fest, welche Kategorien zu welchen Anteilen berücksichtigt werden. Streichen will die Regierung die Anteile für Alkohol und Tabak. Neu in der Berechnung sind die Kosten für Internetzugang und Praxisgebühr.

Im Oktober gab es dann den Kabinettsbeschluss: Eine Erhöhung des derzeitigen Erwachsenen-Satzes von 359 Euro auf 364 Euro. Das sind schäbige 5 Euro im Monat! Wie bislang, wird Kindern aus Hartz-IV-Familien bis zum sechsten Lebensjahr ein Betrag von 215 Euro gezahlt, Kinder von sechs bis 14 Jahren erhalten 251 Euro und 14- bis 18-Jährige 287 Euro. Die Regelsätze für Kinder sollen nicht steigen. Stattdessen können Familien, die Hartz IV beziehen, für ihre Schulkinder Leistungen von mindestens 250 Euro jährlich aus dem geplanten Bildungspaket abrufen. Insgesamt 700 Millionen Euro stehen dafür bereit. Ausgestaltung und tatsächliche Höhe der für Kinder versprochenen Sachleistungen sind bisher noch weitgehend im versprochenen ‚Bildungspaket‘ verborgen. Wie dies umgesetzt wird und wie viel davon in der Verwaltung bleibt, ist noch unklar.

 Das Verfahren war wieder das gleiche wie schon vormals vom Verfassungsgericht beanstandet: Es wurde wieder vom Ergebnis her gerechnet. Ausgangspunkt war wieder nicht der tatsächliche Bedarf. Das machen zwei besonders auffällige Tricksereien deutlich:

Der Hartz IV Regelsatz wurde nicht, wie bisher üblich, aus den  Verbrauchsausgaben der untersten 20 Prozent aller Nettoeinkommen berechnet. Die jetzige Berechnung nimmt nur noch die untersten 15 Prozent als Grundlage. Dies bedeutet eine künstliche Reduzierung des angesetzten Betrags für ein menschenwürdiges Existenzminimum.

Die Ausgaben für Alkohol und Zigaretten wurden gestrichen und - wegen des Flüssigkeitsbedarfs – schlicht durch das billigste Mineralwasser ersetzt. Dies ist entweder eine unwürdige Bevormundung der BezieherInnen oder auch ein Rechentrick, um die Höhe des Satzes zu reduzieren.

Für Kinder sprang nach dieser Berechnung überhaupt kein Anspruch auf Erhöhung des Regelsatzes gegenüber der vom Gericht beanstandeten Methode heraus.

Anfang Dezember, kurz vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gewährten Frist, wurde das Ergebnis der Berechnungen im Schnellverfahren durch den Bundestag gepeitscht: Mitte Dezember erhielt dieser Beschluss im Bundesrat keine Mehrheit. Alle Länder mit SPD, Grüner oder ‚Linker‘ Regierungsbeteiligung enthielten sich.

Derzeit wird im Vermittlungsausschuss verhandelt.  Die nächste Möglichkeit zur Verabschiedung des Gesetzes ist die Sitzung des Bundesrats am 11. Februar. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider hält das derzeitige Gesetz für verfassungswidrig und hat seine Erwartungen an den Vermittlungsausschuss klar formuliert: "Der Vermittlungsausschuss darf nicht nur Ergebnisse liefern, er muss sie auch in der Sache nachvollziehbar begründen", forderte Schneider. "Rein politische Kompromisse, wie sonst üblich, reichen in diesem Fall nicht."

Die Ziele der Oppositionsparteien im Vermittlungsausschuss sind ebenfalls klar:

·         Ganztagsschulen

Sie sind eine Voraussetzung für Bildungschancen und Teilhabe der Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

·         ordentliche Berechnung des Regelsatzes

Wie oben dargestellt, genügt die Berechnungsmethode nicht der Forderung nach einem menschenwürdigen Existenzminimum und ist deshalb wieder verfassungswidrig.

·         Mindestlohn

Eins macht die Berechnung deutlich: Hungerlöhne drücken die Einkommen am unteren Ende des Spektrums. Nur ein flächendeckender Mindestlohn kann dem immer wieder geforderten ‚Lohnabstandsgebot‘ genügen.

Wir laden ein zur Veranstaltung mit

Sylvia Huttenloher, Sozialpädagogin und Kreisrätin der Grünen

Hartz-IV - Eine Frage der Menschenwürde

Mittwoch, 26. 1. 2011, 20 Uhr

Dampfschiff, Grafrath