Tunnelpläne in München verhindern S4-Ausbau

 

Vor über einem Jahr wurde die von über 8'000 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnete Massenpetition der Bürgerinitiative "S4 Ausbau jetzt" im Landtag eingereicht. Seitdem setzt sich die Bürgerinitiative mit vielen Briefen und Vorschlägen für kurz- und langfristige Maßnahmen zur Verbesserung des Angebots auf der S4 West ein. In erster Linie geht es dabei um einen viergleisigen Ausbau der Strecke zwischen Pasing und Buchenau.

 

S4 - höchstes Fahrgastaufkommen ...

 

Die S4 West ist die Strecke mit dem höchsten Fahrgastaufkommen im S-Bahn-Bereich. Trotzdem kann hier nicht - wie auf anderen Strecken - ein 10-Minutentakt gefahren werden. Der Mischverkehr mit den Fernzügen nach Lindau lässt einen solchen Fahrplan nicht zu. Heute kommt es auf der Strecke jeden Tag zu 22 fahrplanmäßigen Überholungen von S-Bahnzügen durch Fern- und Regionalzüge, d.h. der Taktfahrplan wird gebrochen. Diese Situation wird nach der geplanten Elektrifizierung der Strecke nach Lindau noch verschärft: Dann werden doppelt so viele Fernzüge auf der Strecke verkehren. Sie werden schneller fahren als die heutigen langsameren Dieselzüge. Um ein so vorprogrammiertes unzumutbares Fahrplanchaos zu verhindern, muss der viergleisige S4-Ausbau zügig umgesetzt werden.

 

Stolpertakt und kleines Platzangebot

 

Der immer noch geplante 2. parallele Stammstrecken-Tunnel würde an dieser Situation nichts ändern. In der Fahrgast-stärksten Stunde zwischen 7 und 8 Uhr kommen z.B. derzeit sechs S-Bahnzüge aus Richtung Geltendorf in Pasing an. Dies ergibt insgesamt 15 Zuggarnituren (ET 423). Mit dem bei Fertigstellung der 2. Stammstrecke vorgesehenen 15-Minuten-Takt würden im Berufsverkehr zwischen 7 und 8 Uhr nur noch 12 statt bisher 15 Zuggarnituren (ET 423) angeboten. Der Abbau des Platzangebots um 20% ist sicher nicht hinzunehmen, denn die S4 gehört schon jetzt am Morgen zu den am stärksten ausgelasteten S-Bahnstrecken.  Das alles ficht den verantwortlichen bayerischen Wirtschaftsminister Zeil nicht an: In der Antwort auf einen diesbezüglichen offenen Brief der Bürgerinitiative S4-Ausbau jetzt schrieb er im Januar: "Ob und in welchem Umfang planmäßige Überholungen von S-Bahnen durch den Fernverkehr notwendig werden, kann erst nach Abschluss der genauen Fernverkehrsplanung durch die Bahn benannt werden." und "Ihre Sorge ... (zum Platzangebot) ist unbegründet. Das genaue Fahrplanangebot wird zeitgerecht zur Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke durch den Freistaat bestellt werden."

 

Konzept A - statt 2. Parallel-Tunnel

 

Das Festhalten an der völlig fragwürdigen Planung einer parallelen zweiten Stammstrecke verhindert - abgesehen von den Risiken bei ihrer Umsetzung - alle Verbesserungen im S-Bahn-Verkehr. Wesentlich realistischere Vorschläge einer Ertüchtigung des Südrings und der Verlängerung der U-Bahn bis Pasing werden nicht weiter verfolgt. So hat ein Bündnis verschiedener Verkehrs- und Naturschutz-Organisationen mit dem "Plan A" ein wesentlich tragfähigeres Konzept vorgelegt.

 

Tunnelfinanzierung noch im Dunkeln

 

Anfang Januar zitierte die Süddeutsche Zeitung aus einem internen Bericht der Bahn an den Aufsichtsrat. Die Kosten für den zweiten Tunnel wurden um 400 Millionen teurer beziffert als bisher offiziell bekannt. Nun ist in diesem internen Papier der Bahn von 2,433 Milliarden Euro die Rede. Die Grünen und Naturschutzverbände haben schon länger von mindestens 2,6 Mrd. € gesprochen. Aber das Wirtschaftsministerium zeigte sich überrascht und dementierte umgehend.

Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird mit zweierlei Maß gemessen: Dass der Nutzen-Kosten-Faktor für den zweiten Tunnel bei einer solchen Kostensteigerung wohl unter null sinkt (= nicht wirtschaftlich sinnvoll), wird tunlichst verschwiegen. Der Nutzen-Kosten-Faktor für den Ausbau der S4 ist zwar offiziell über 1 (Wirtschaftlichkeit gegeben), wird aber als so gering erachtet, dass dies jetzt durch das Wirtschaftsministerium seit März mit ungewissem Ausgang untersucht wird.

Man kann sich nur wundern, dass nach dem Planungs-Desastern von Stuttgart21, der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Berliner Großflughafen immer noch nach dem gleichen Muster geplant wird: Zunächst werden die Kosten herunter gerechnet und der richtige Preis wird erst öffentlich, nachdem ein Zurück unmöglich oder sehr teuer wird. "Augen zu und durch" ist nicht die richtige Planungsmethode für zukunftsorientierte Großprojekte. Öffentliche Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger ist die einzige Möglichkeit einer realistischen Planung unter Einbeziehung möglichst vieler Eventualitäten.