Kommentar: Abschied nehmen von einer Illusion

Von Christian Krügel

Wäre man als S-Bahn-Pendler nicht schon so genervt, wäre es ja fast spaßig, dem Ministerpräsidenten, seinem Wirtschaftsminister und dem Bundesverkehrsminister bei ihrem Spielchen 'Wer ist schuld am S-Bahn-Fiasko?' zuzuschauen. Momentan steht"s gerade Unentschieden: Seehofer und Zeil haben eigentlich keine Ahnung, wie der Freistaat einen zweiten Tunnel durch Münchens Innenstadt finanzieren soll. Um aber nicht gar so schlecht dazustehen, schieben sie alle Schuld auf Ramsauer. Der will partout das Geld nicht hergeben, das er sowieso nicht hat. Das aber kann der Bundesverkehrsminister dem Ministerpräsidenten nicht so deutlich sagen, wie er es bestimmt gerne möchte.

Und so fliegen die Zahlen und Vorwürfe munter zwischen München und Berlin hin und her, nur eines traut sich dabei keiner zu sagen: Der Tunnel ist auf absehbare Zeit nicht solide zu finanzieren. Seit zehn Jahren ist es dem Freistaat nicht gelungen, einen Finanzierungsplan aufzustellen - Ausreden, Vertröstungen und Schuldzuweisungen zu kreieren war da deutlich leichter.

Das Ultimatum, das Seehofer dem Bundesverkehrsminister gestellt hat, sollten die Fahrgäste daher an die Staatsregierung richten: Entweder gibt es noch in diesem Herbst einen klaren Plan, wie die Buddelei bezahlt werden soll - oder das Projekt wird begraben. Dann wäre endlich Zeit, in Ruhe über die kleinen Schritte nachzudenken, die dem S-Bahn-Fahrgast vielleicht sogar mehr helfen könnten: zusätzliche S-Bahn-Züge kaufen, in die Signaltechnik investieren, einzelne Bahnhöfe verbessern, den Südring zumindest als Ausweichstrecke nutzen. Auch eine offene Diskussion über eine Verlängerung der U5 nach Pasing wäre dann wieder möglich. Dafür müssten aber Seehofer, Zeil und Co. endlich mit dem Schwarzer-Peter-Spiel aufhören und ehrlich bekennen: Es geht nicht.


(SZ vom 10.08.2011)